Über den Verfall der Demokratie
Demokratie gilt gemeinhin als Krönung politischer Zivilisation – als Bollwerk gegen Tyrannei, als Garant für Freiheit, Mitbestimmung und Menschenrechte. Doch je genauer man hinsieht, desto mehr wirkt sie wie eine gut geölte PR-Kampagne. Denn wer glaubt, dass Demokratie wirklich vom Volk ausgeht, hat entweder ein sehr romantisches Verhältnis zur Politik - oder ignoriert die Realität. Zudem zeigt sich in den letzten Jahren immer deutlicher, wie wehrlos selbst stabile Demokratien gegenüber autoritären und faschistischen Tendenzen sind.
Schon vor der Rückkehr von Trump zeigte sich das deutlich in den USA, der selbsternannten „Wiege der Freiheit“. Eine vielzitierte Studie zeigt: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gesetzesinitiative umgesetzt wird, liegt konstant bei etwa 30 Prozent - völlig unabhängig davon, ob sie von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird oder nicht. Einfluss haben nicht die Menschen, sondern die, die es sich leisten können: Lobbyverbände, Konzerne, Superreiche.
Vielleicht ist es also kein Zufall, dass Demokratie vor allem dort blühte, wo auch der Kapitalismus florierte und ein breiter Wohlstand entstand. Man könnte sogar zugespitzt sagen: Demokratie ist die politisch-ästhetische Verpackung, in der sich der Kapitalismus selbst verkauft wird. Sie schafft den Schein von Mitbestimmung – während sie in Wirklichkeit Individualität nur nutzt, um sie kommerziell auszuschlachten. Aber viel zu oft bedeutet die persönliche Freiheit vor allem die Freiheit zu konsumieren. Und Selbstverwirklichung lässt sich vielseitig monetarisieren. Die heutigen Demokratien habe so gesehen weniger mit Volksherrschaft zu tun als mit Marktoptimierung.
Viele halten die Demokratien noch immer für intakt - doch das liegt vor allem daran, dass sie nie wirklich Teil von ihr waren. Für weite Teile der Bevölkerung scheint sich nichts zu ändern, wenn demokratische Institutionen unterwandert, Gerichte politisiert oder Grundrechte selektiv ausgehebelt werden. Dabei geschieht der Umbau nicht etwa heimlich, sondern sichtbar - nur eben zu schnell und zu gezielt, um von einer desinteressierten Mehrheit wirklich wahrgenommen zu werden.
Donald Trump regiert längst nicht mehr im Rahmen demokratischer Gepflogenheiten. Mit rechtswidrigen Executive Orders, der bewussten Missachtung von Checks and Balances und einem autoritären Führungsstil hat er begonnen, das System nach "seinen" Vorstellungen umzubauen - weit über das hinaus, was ihm die Verfassung eigentlich erlaubt. Doch weil sich die Folgen zuerst bei Minderheiten zeigen, bleibt der Aufschrei aus. Wer selbst zu keiner Minderheit gehört, merkt nicht, wenn deren Rechte gestrichen werden. Wer nie selbst von Rassismus betroffen war, überhört, wenn Sprache zur Waffe gemacht wird. Und währenddessen schreitet der Umbau zur autoritären Oligarchie voran – effizient, rücksichtslos und schneller, als die Öffentlichkeit reagieren kann.
Es ist höchste Zeit, dass wir uns organisieren, aufklären und die Menschen aus ihrer politischen Passivität reißen. Demokratie lebt nur, wenn wir sie verteidigen.